Was mich schon immer fasziniert hat, sind die Rhythmen in welchen sich das Leben entfaltet. Zum Teil direkt nachvollziehbar und zum Teil so, dass man die Zusammenhänge nicht sieht.
Wenn man die Phasen der Schwangerschaft Geburt und Wochenbettzeit genauer anschaut, fällt auf, dass es bestimmte Gesetzmässigkeiten und Rhythmen zu geben scheint. Vermutlich verläuft so ziemlich alles im Leben nach einem solchen Muster. Wenn man selber erkennt, in welcher Phase man sich befindet, gibt das eine starke Orientierung. Orientierung gibt Sicherheit und unterstützt die Selbstwirksamkeit. Man weiss dann, dass man nicht für immer in "diesem Chaos" gefangen ist, sondern dass das lediglich die ersten unkoordinierten Geburtswehen sind. Das kann man natürlich auch im übertragenen Sinn verstehen, als Vorzeichen, welche eine Veränderung im Leben ankündigen.
Es scheint oft zuerst eine ambivalente, unordentliche Phase zu geben. Dann pendelt sich ein Rhythmus ein, eine Symbiose entsteht, es fliesst. Und darauf folgt wieder ein anstrengender Teil, denn man muss den liebgewonnenen Rhythmus loslassen und sich auf etwas Neues gefasst machen. Etwas Neues erscheint, muss sich einfügen, ist integriert, muss wieder losgelassen werden. Der schöperische Kreislauf von empfangen - nähren - loslassen.
Ich versuche hier ein paar Beobachtungen zum Rhythmus in der Schwangerschaft, in der Geburt und im Wochenbett stichwortartig festzuhalten.
Schwangerschaft
Erstes Trimenon - Zeit der Ambivalenz
Freude, Aufregung, Übelkeit, Unwohlsein, körperliche und psychische Umstellung, Eindringling, oft noch wenig Kontakt zum Kind, Unsicherheit, bleibt das Kind?, bin ich dem gewachsen?
Zweites Trimenon - Harmonie
Rhythmus, Symbiose, schöner Kontakt, ich spüre das Kind bewegen, Bestätigung, Kind bleibt, Verbindung, Liebe, so könnte es weitergehen, weniger Beschwerden, energievoll
Drittes Trimenon - Loslassen
Kind wird grösser, nimmt mehr Platz ein, gibt das Signal, bald kommt eine Veränderung, es kann nicht mehr lange so weitergehen, der Platz wird zu klein. Angst vor Ende, nicht loslassen wollen, aussergewöhnliche Zeit der Schwangerschaft nicht beenden wollen, so nahe wird mir mein Kind nie mehr sein. Oder Überdruss und Erschöpfung von Schwangerschaft, Geburt soll endlich losgehen, Ungeduld, jetzt habe ich genug gegeben, jetzt reichts.
Geburt
Latenzphase
Komisches Gefühl, etwas ist anders, Übelkeit, mühsam, unkoordinierte Kontraktionen, Einpendeln, Unsicherheit, wann geht’s richtig los?, bin ich dem gewachsen?, Vorfreude, endlich geht’s los, sich einstellen, einstimmen auf Geburt, sich zurückziehen.
Eröffnungsphase
Rhythmus der Kontraktionen, Hingabe, eintauchen, Zusammenspiel von Spannung und Entspannung und Endorphinen. Ordnung, Sicherheit, Verbindung, es fliesst.
Austreibungsphase
Loslassen, Druck wird zunehmend, kündet Veränderung an, Kind will raus. Adrenalin, Action. Nicht mitschieben, nicht loslassen wollen, so nahe werde ich dich nie mehr haben. Oder mit voller Kraft dabei, komm raus mein Kind, ich habe so lange auf dich gewartet.
Wochenbett
0-3 Monate
Unsicherheit, Einpendeln, alles anders, keine Struktur, keine Wiederholungen, alles neu, bin ich dem gewachsen?. Eindringling in das Paarleben, alles richtet sich nach dem Kind, neue Rollen noch unklar, keine Orientierung, körperliche Veränderungen
3-6 Monate
Harmonie, Stillen hat sich eingependelt, neuer Rhythmus, neue Struktur im Familienleben zeigt sich, Vater- und Mutterrolle fühlt sich normal an. Mehr Kontakt und Interaktion ist möglich, Kind kann bewusst lächeln.
6-9 Monate
Kind beginnt sich von der Brust abzuwenden, interessiert sich für andere Nahrung, loslassen vom vollen Stillen. Kind löst sich allmählich aus der Mutter-Kind-Einheit. Trauer, ich werde von meinem Kind zurückgewiesen, es braucht nicht mehr alles von mir, ich kann ihm nicht mehr alles geben. Oder endlich wieder mehr Raum für mich.
Was sind deine Erfahrungen oder Gedanken zu diesem Thema? Hast du ähnliche Beobachtungen gemacht?
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